Kurzarbeit
Die Kurzarbeit ist in aller Munde. Ob wirtschaftliche Probleme, Pandemien oder sonstige Einflüsse auf Unternehmen bietet die Kurzarbeit viele Möglichkeiten, um Krisen zu überwinden.
In der betrieblichen Altersversorgung (bAV) treten sowohl arbeitsrechtliche als auch versicherungsrechtliche Probleme auf.
Die bAV gibt es in drei verschiedenen Formen:
- Arbeitgeberfinanziert
- Entgeltumwandlung
- Mischfinanziert
Wichtig ist auch die Unterscheidung, ob der arbeitgeberfinanzierte Teil gesetzlich oder vertraglich unverfallbar ist.
Auswirkungen der Kurzarbeit auf die arbeitgeberfinanzierte bAV
Gesetzlich verfallbare bAV
Der Arbeitgeber kann arbeitsrechtlich prüfen lassen, ob es zulässig ist die Versorgungszusage zu widerrufen. Dies hat zur Folge, dass bestehende Vertragsvereinbarungen auf arbeitsrechtlicher Ebene und versicherungsrechtlicher Ebene gekündigt bzw. widerrufen werden.
Dabei ist auf die Wirksamkeit des Widerrufs der bAV gegenüber den Arbeitnehmern zu achten. Wirksam sind solche Widerrufe dann, wenn Versorgungszusagen diese Option vorsehen. Andernfalls kann es sogar notwendig sein, den Widerruf einzelvertraglich (mit jedem Mitarbeiter einzeln) oder gerichtlich zu ermöglichen.
Gesetzlich unverfallbare Anwartschaft
Ist die Unverfallbarkeit der bAV dem Grunde und der Höhe nach anstanden, weil die gesetzlichen Fristen abgelaufen sind, dann kann der Arbeitgeber nur im Rahmen der 3-Stufen-Theorie (Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – BAG) handeln.
In der ersten Stufe werden zukünftige Beiträge z. B. zu Versicherungen eingestellt.
In der zweiten Stufe werden zusätzlich auch Anwartschaftsdynamiken widerrufen.
In der dritten Stufe werden auch bereits der Höhe nach erdiente Ansprüche widerrufen.
Voraussetzungen sind entsprechende wirtschaftliche Verhältnisse, welche grundsätzlich vor einem Arbeitsgericht diskutiert werden sollten, damit es zu keinen Nachschusspflichten beim Arbeitgeber kommt.
Ansonsten muss der Arbeitgeber auch bei Kurzarbeit die bAV beitragspflichtig fortführen.
Vertraglich unverfallbare Anwartschaft
Bei der Einrichtung einer bAV gilt zu diskutieren, ob sogar eine in den ersten 3 Jahren eine Widerrufsklauses in die Versorgungszusage aufgenommen wird. Dann könnte der Arbeitgeber trotz vertraglicher Unverfallbarkeit in den ersten drei Jahren der vertraglichen Unverfallbarkeit diese Widerrufen und die Versorgungszusage bei Krisen an die entsprechende wirtschaftliche Situation des Unternehmens anpassen.
Ansonsten ist die vertragliche Unverfallbarkeit bindend und die bAV muss dem Grunde und der Höhe nach weiter bedient werden.
Auswirkungen auf die bAV durch Entgeltumwandlung
Seit der Einführung des verpflichtenden Arbeitgeberzuschusses durch das Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG) und die gängige tarifvertragliche Praxis bzw. betriebliche Praxis die Sozialabgabenersparnis weiterzugeben, sind reine Entgeltumwandlungsmodelle häufig in den Durchführungswegen Direktzusage und Unterstützungskasse anzutreffen. Auf diese Fälle wird im Bereich der Mischfinanzierung der bAV – im nächsten Abschnitt – eingegangen.
Gerade im Bereich Entgeltumwandlung gilt zu beachten, dass sich der Arbeitgeber überlegen muss, welche Risiken zur Absicherung ermöglicht werden. Denn je nach versichertem bzw. zugesagten Risiken kommt es zu Unterschieden in der arbeitsrechtlichen und versicherungsrechtlichen Behandlung der Themen.
Der Arbeitgeber kann aus Anlass des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer Leistungen der Altersversorgung, Invaliditätsversorgung und Hinterbliebenenversorgung zusagen.
Die Invaliditätsversorgung wird meist durch Berufsunfähigkeitsversicherungen oder Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen umgesetzt. Einzelne Versicherungsunternehmen ermöglichen das auch nur in Form einer Leistungszusage und ohne die Vereinbarung des § 2 Abs. 5a BetrAVG. Deshalb sollte geprüft werden, ob eine Beitragsorientierte Leistungszusage möglich ist, damit diese Gesetzesnorm angewendet werden kann. Das Nichtanwenden dieser Rechtsnorm bedeutet für die Firma ein enormes Haftungsrisiko bei Beitragsfreistellungen.
Grundsätzlich führt der Bezug von Kurzarbeitergeld zu einer Beitragsfreistellung der bAV durch Entgeltumwandlung. Denn das Kurzarbeitergeld ist eine Lohnersatzleistung und aus dieser Lohnersatzleistung ist keine Entgeltumwandlung möglich.
Deshalb führt das Kurzarbeitergeld zu einer Beitragsfreistellung der bAV. Und genau diese Beitragsfreistellung kann der Arbeitnehmer verhindern, indem die Möglichkeit des § 1a BetrAVG eingeräumt wird, die Versorgung mit eigenen Beiträgen weiterzuführen.
Stellt der Arbeitgeber nun die Versorgung z. B. einer Invaliditätsversorgung einfach beitragsfrei und dokumentiert nicht, dass der Arbeitnehmer eine Fortführungsrecht mit eigenen Beiträgen hat, kann der Arbeitgeber in einer der folgenden Verpflichtungen sein:
- Ist bei einer Leistungszusage nicht der § 2 Abs. 5a BetrAVG vereinbart, bemisst sich der arbeitsrechtliche Anspruch gem. § 2 Abs. 1 BetrAVG.
Das bedeutet, dass die Invaliditätsrente bzw. Leistung, im Verhältnis der möglichen Dienstzeit zur tatsächlich zurückgelegten Dienstzeit bzw. Beitragszahlung quotiert wird.
Nehmen wir also an das ein Mitarbeiter mit 27 Jahren in die Firma eingetreten ist und mit 67 Jahren in die gesetzliche Rente eintritt, muss er in der Firma 40 Jahre Dienstzeit ableisten.
Sagt ihm jetzt die Firma mit dem 37. Lebensjahr eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 2.000 € zu und mit dem 47. Lebensjahr tritt eine Beitragsfreistellung der Entgeltumwandlung ein, so meinen viele Arbeitgeber, dass die Renten in der Police maßgebend sind.
Das wäre sie auch wenn der § 2 Abs. 5a in der Versorgungszusage vereinbart worden wäre und die Versorgungszusage eine beitragsorientierte Leistungszusage vorsieht.
Ist dies unterblieben, so schreibt das geltende Arbeitsrecht vor, dass der Mitarbeiter ja von 27 bis 47 die Zusage erteilt bekommen- also 20 Jahre wurden erdient – hat und bis zum 67. Lebensjahr – 40 Jahre lang – hätte laufen müssen.
Die Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 2.000 € pro Monat wird bei Beitragsfreistellung also in der Firma wie folgt berechnet: 2.000 € * 20 /40 = 1.000 € monatliche Berufsunfähigkeitsrente aus arbeitsrechtlicher Sicht. Sieht die Police einer Versicherung dann eine niedrigere Leistungspflicht vor z. B. statt 1.000 € nur 200 € pro Monat, muss im Falle einer Berufsunfähigkeit des Mitarbeiters die Differenz in Höhe von 800 € monatlich aus dem Firmenvermögen bezahlt werden.
Deshalb ist bei Beitragsfreistellungen bei Kurzarbeitergeld – im Eifer der Notsituation – eine besondere Sorgfalt bei der Dokumentation angezeigt. - Zahlt der Arbeitgeber z. B. die Entgeltumwandlung weiter und erlischt ja die Entgeltumwandlung durch konkludentes Vorgehen, Vereinbarung Kurzarbeitergeld und Weiterzahlung der bAV, kann diese Entgeltumwandlung in eine grundsätzliche arbeitgeberfinanzierte bAV umgewandelt werden und muss ggf. auch arbeitgeberfinanziert weiterbezahlt werden. Denn es kann eine betriebliche Übung begründet werden.
Deshalb ist vor einer Beantragung von Kurzarbeitergeld eine Regelung zur bAV zu veranlassen.
Auswirkungen auf die mischfinanzierte bAV
Bei einer mischfinanzierten bAV handelt es sich um eine bAV, welche sich aus einer Entgeltumwandlung und einem Arbeitgeberbeitrag zusammensetzt. Dabei sind verschiedene Varianten denkbar:
- Entgeltumwandlung mit Pflichtzuschuss des Arbeitgebers in Höhe von 15 % auf den Entgeltumwandlungsbetrag gem. BRSG
- Entgeltumwandlung und prozentualer Zuschuss (freiwillig über gesetzliche Vorschrift hinaus – also > 15 %)
- Anschubfinanzierungsmodell z. B. 35,00 € Arbeitgeberzuschuss pro Monat wenn der Arbeitnehmer mindestens 35,00 € pro Monat aus Entgeltumwandlung finanziert zzgl. 15 % gesetzlicher Zuschuss gem. BRSG auf den Entgeltumwandlungsanteil
Auch hier wiegen sich viele Arbeitgeber in Sicherheit. Denn viele Arbeitgeber sind der Meinung, dass sie tatsächlich wirksam einen Zuschuss aus der Sozialabgabenersparnis an die Entgeltumwandlungsvereinbarung gekoppelt haben.
Doch geben Entgeltumwandlungsvereinbarungen von Versicherern oder fehlerhafte Versorgungszusagen oft ein anderes Bild ab, so dass zwar die Entgeltumwandlung eingestellt werden kann, jedoch arbeitsrechtlich der Arbeitgeberzuschuss doch weiterbezahlt werden muss.
Das entfaltet insbesondere dann seine volle Wirkung, wenn der Arbeitgeber wegen Kurzarbeitergeld seine Leistungen voll beitragsfrei stellt und Jahre später herauskommt: Er hätte weiterzahlen sollen. Hier noch eine Info: bAV Ansprüche verjähren oft nach 2 * 30 Jahren (Ansprüche aus der Aufschubdauer und Ansprüche aus der Rentenphase). Also der Haftungszeitraum mit einer Nutzungsausfallentschädigung kann durchaus unüberschaubar lange sein.
Zusammenfassung:
Kurzarbeit und bAV vertragen sich nicht so gut miteinander, wenn bei der Vereinbarung der Kurzarbeit das System der bAV unberücksichtigt bleibt. Deshalb der Tipp an alle Arbeitgeber die jetzt Kurzarbeit beantragen wollen:
Lassen Sie sich beraten, wie sie rechtswirksam und ohne Nachschuss- bzw. Haftungsrisiken für sich als Arbeitgeber, Vereinbarungen zur Kurzarbeit unter Berücksichtigung Ihres bAV-Systems treffen können.